Von schnarchenden Priestern und dicken Bäuchen.

Tag 6 - 06.02.2005
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Heute ist Sonntag und auch noch Amys Geburtstag. Das paßt natürlich optimal, denn so machen wir zum Früshtück ein Candle Light-Dinner zu fünft. Dieses dauert aber nicht allzu lange, denn wie gesagt, heute ist Sonntag und da gehen wir wie jeder brave Amerikaner in die Kirche zum Sonntagsgottesdienst.

Das Geburtstagsfrühstück. Es gibt ausnahmsweise mal keinen Doughnut, denn die sind alle.

Die Kinder trödeln ein bißchen rum und so heizt Jörg mit dem Suburban ordentlich durch die Gegend. Wenn das mal nicht Minuspunkte bei Gott gibt! Je näher wir der Kirche kommen, umso mehr Autos sind auf einmal auf der Straße. Und alle fahren Richtung Kirche. Zum Glück besteht die Kirche ungefähr aus einem Drittel Gebäuden und zwei Drittel Parkplatz.

Ab ins Haus Gottes. Man beachte bitte das Nummernschild von dem roten Ford. ("BLESD" = Blessed = Gesegnet)

Die Kirche ist ziemlich modern und so ist meine Frage an Amy, ob es innen drin warm ist und ich meine Jacke im Auto lassen kann, mal wieder typisch für den "Ich gehe nur zu Weihnachten in eine protestantische Kirche"-Deutschen wie mich. Hier sind wir bei den Katholiken, da ist es warm und gemütlich!

Bella wird gleich zum Religionsunterricht in den Keller geschickt und wir gehen in das ...mmh, wie nenn ich das denn jetzt am besten... Kirchenschiff? Wie gesagt, das ist ja eine neumodische Kirche, da sieht das eher aus wie ein Konzertsaal. Naja, ihr wißt schon, was ich meine. Die Bänke sind zwar auch aus Holz, aber wesentlich gemütlicher und knarrfreier als das, was ich aus Berlin gewohnt bin. Und es gibt zwei Liederbücher, die die dünnen Weihnachtslieder-Papierheftchen aus der Christoperus-Kirche in Berlin-Friedrichshagen vor Neid erblassen lassen würden. Wie gesagt, Katholiken. Die Lieder sind hier auch viel moderner, manche erst aus den 90er Jahren.

Aber nun geht der Gottesdienst los. Alle wissen, wann sie aufstehen müssen, wann sie sich wieder setzen können, wann sie "God bless you" und "Halleluja" rufen sollen und wann sie die lustige Knieschonerbank runterklappen können, um vor Gott niederzuknien. Ganz anders, wie letztes Weihnachten in Berlin, da hab ich in dem Block der Unwissenden gesessen, was aber auch irgendwie gepaßt hat, denn ich bin ja auch einer. Vorne stehen vier Leute und machen das Programm: Eine Klavier/Pseudoorgel-Spielerin, eine die dazu singt (und das nicht mal schlecht) und dann zwei Priester, ein alter und ein noch älterer. Ich glaub, der ältere macht zwischendurch mal ein kleines Nickerchen, aber das kann man nicht genau sehen, denn der nicht ganz so alte verdeckt ihn geschickt mit seiner Kutte. Mittendrin passiert dann etwas für uns Deutsche eher merkwürdig aussehendes. Die Anwesenden werden von den Priestern gesegnet und dazu strecken sie alle ihre Hand nach vorne und es sieht bei manchen aus, wie der Hitlergruß. Rechts von mir steht eine Frau, die ist schon völlig in Trance. Sie hat ihre Augen geschlossen und bewegt den Kopf so leicht hin und her.

Nach circa einer Stunde und dem üblichen Programm mit Kaffee und Kuchen... ähh, Brot und Wein natürlich (Ich hoffe, ich trete hier keinem mit meinen Sprüchen auf den Schlips, wenn ja, dann sagt das mal!), dem Beten für die Armee, die Polizei, die Feuerwehr und dafür, daß der Terrorismus endlich aufhört, gibt es noch ein paar organisatorische Hinweise bezüglich Ostern. Es soll gefastet werden, wobei das nur für Leute zwischen 14 und 59 gilt, was der nicht ganz so alte Priester mit dem Satz "I'm glad to hear that!" ("Ich bin froh, das zu hören!") quittiert. Da gibt es dann in der Kirche zum ersten Mal ein paar Lacher. Zum Schluß bittet der Priester darum, daß sich alle ganz lieb haben und das auch mal zeigen sollen. Und so umarmt er gleich den mittlerweile wieder aufgewachten ganz alten Priester und alle Anwesenden fangen an, sich zu umarmen oder zumindest die Hand zu geben. Merkwürdigerweise klatschen danach vor dem Nachhausefahren alle Beifall, anscheinend hab ich mich doch vertan und das war ein Konzertsaal und keine Kirche.

Die Kirche nach dem Gottesdienst von innen. Im Prinzip waren fast alle Bänke voll, wobei man aber noch ein bißchen hätte quetschen können. Und achtet mal auf die Bücher in den Bänken, das sind die beiden Liederbücher.

Wir warten noch auf Bella und fahren dann kurz nach Hause, um Casey zu holen. Es geht nämlich anläßlich des Superbowl-Sonntages zu Amys Eltern.

So sieht es nach der Kirche an der ersten größere Straßenkreuzung hinter uns aus. Alles begeisterte Kirchengänger.

Bevor wir aber losfahren, packt Amy noch ihre Geschenke aus. Und damit meine lieben Eltern nun beruhigt sind: Die Kette, die ich so aufopferungsvoll beim Zoll geschmugg... ähh, ordentlich angegeben habe, gefällt ihr sehr gut! Jörg greift ein wenig daneben, denn so eine Aufbewahrungstasche für CDs, die man oben am Sonnenschutz im Auto befestigen kann, hat sie schon. :-) Amys Eltern wohnen ein ganzes Stück weg auf der anderen Seite des Mississippi im Bundestaat Illinois und wir fahren ungefähr eine Stunde. Aber wo ich doch jetzt meine GPS-Karten habe, könnt ihr ja auch mal selber kucken.

Unsere gefahrene Route zu den Eltern. Die Grenze zwischen den Bundesstaaten verläuft genau entlang des Flusses.

Auf dem Weg zu den Eltern, halten wir noch einmal kurz bei Best Buy und Amy kauft einen Gutschein für ihren Bruder, der hatte nämlich letzte Woche Geburtstag. Während wir auf dem Parkplatz warten, kann ich endlich mal ein Foto von einer dieser gelben Schleifen machen, die man hier ziemlich oft auf Autos sieht.

"Unterstützt unsere Truppen" Naja, sind ja zum Glück nicht meine...

Jetzt hätte ich fast gesagt, die ganze Familie ist schon da, als wir bei den Eltern eintreffen, aber das, was mir mit zwölf Leuten schon viel vorkommt, ist eigentlich nur ein kleiner Teil. Die Mutter von Amy zum Beispiel hat noch sechs Geschwister. Auf jeden Fall sind da: Amys Eltern, zwei Brüder mitsamt den Freundinnen, ein Onkel und natürlich wir fünf. Der Onkel spricht total schnell und man hat echt Mühe, ihn zu verstehen. Aber das macht nichts, denn er ist sowieso ständig beschäftigt. Erst geht er ein bißchen Angeln, dann spielt er Darts und dann haut er gleich ganz ab. Wohin, hab ich aber nicht verstanden.

Amys Vater beim Überreichen der Geburtstagsgeschenke.

Die Mutter hat ordentlich was gekocht und so wie es aussieht, ist Jörg in der Familie schon dafür bekannt, daß er Unmengen Chili in sich hineinstopfen kann. Das tut er dann natürlich auch erstmal und keiner von den anderen kann mithalten. Obwohl die alle viel dicker aussehen, als er.

Einer der Brüder von Amy, Matt, nach dem Essen des Chilis mit einem ganz roten Kopf. Das, was aussieht wie eine Mischung aus einem ganz kleinen Reh und einer Fledermaus ist ein Hund.

Nachdem alle was verputzt haben, gibt es den obligatorischen Nachtisch, einen Kuchen aus Eis. Oder eher, ein Eis in Kuchenform. Oben drauf steht "Happy Birthday, Amy". Na wie auch immer, da wird jedenfalls nochmal ordentlich reingehauen.

Der Hund von Matt ist ein ganz verrückter (Hund). Der rennt nur hin und her, bellt ab und zu mal, springt an Leuten hoch und will dauernd mit Casey Sachen machen, die ich hier mal lieber nicht beim Namen nenne. Soll ja schließlich jugendfrei bleiben die Seite. Jedenfalls hat Casey darauf keine Lust und muß sich so ständig wehren. Da wird sie heute abend aber mächtig kaputt sein.

Ein Happs und weg ist Junior, so heißt der kleine Hund.

So, und nun kommt eine Premiere. Ich habe es nämlich tatsächlich geschafft, mal ein Foto von Amys dickem Bauch zu machen. Sie ziert sich da ein bißchen, warum weiß ich aber auch nicht. Matt zum Beispiel ist auf seinen stolz und betont immer wieder, das wären alles Muskeln.

Da ist mein kleiner Neffe oder meine kleine Nichte drin. Und bitte, achtet mal alle ganz doll darauf, daß Amy noch etwas zu essen in der Hand hält. :-)

Um etwas halbwegs sinnvolles zu machen, fangen wir zu sechst an, Karten zu spielen, und zwar immer paarweise. Ich spiele mit der Mutter in einem Team, Jörg mit Amy und Matt mit seiner Freundin. Aber Jörg und Amy sind zu gut, die zocken uns richtig ab. Zum Schluß führen sie mit sonstwieviel tausend Punkten und die beiden anderen Teams sind zufälligerweise gleich auf.

Jörg und die Mutter von Amy. Sie ist wirklich lustig und lacht die ganze Zeit.

Das ist doch mal ein Sofa, mit Klappmechanik und einem Tisch für Getränke oder was zu essen. Nur hinlegen kann man sich nicht. Links ist die Freundin von Matt.

Um 17:00 Uhr beginnt der Superbowl, aber da Amy noch ein bißchen arbeiten muß, machen wir uns auf den Heimweg.

Matt zeigt mir, wie sich richtige Amerikaner verabschieden. Er ist übrigens genauso alt, wie ich.

Zurück in South County, wo Amy wohnt, fahren wir noch zu einem Eisladen. Die Kinder waren nämlich auf der Rückfahrt äußerst angenehm und das muß ja belohnt werden. Ich werfe mir einen Sundae mit Schokosauce ein und der schmeckt ziemlich lecker. Auf jeden Fall viel leckerer, als in Deutschland bei McDonald's, der einzige Ort, wo ich sowas bis jetzt gesehen habe. Aber ich komm ja auch nicht viel rum. Zurück zu Hause schauen Jörg und ich erst die Halbzeitshow und dann die letzten beiden Spielviertel des Superbowls XXXIX. Das ist eine 39.

Bei der verschwommenen Gestalt handelt es sich um Paul McCartney, der in der Halbzeitpause auftritt. Die dachten wohl, mit dem kann so etwas wie letztes Jahr ("Nipplegate" mit Janet Jackson und Justin Timberlake) nicht passieren.

Das Spiel ist wirklich ziemlich spannend. Nach dem dritten Viertel ist immer noch Gleichstand und das, obwohl die New England Patriots der haushohe Favorit sind. Aber zum Schluß gewinnen sie doch, wie übrigens in drei der vier letzten Jahre.

Die New England Patriots gewinnen mit 24 zu 21 gegen die Philadelphia Eagles.

Nach dem Spiel kommt eine Sonderfolge der Simpsons, in der Homer die Halbzeitshow gestalten soll. Ich kuck mir das noch an und danach geht es ab in den Keller.
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