Der amerikanische Teil der Familie

Tag 5 - 05.09.2005
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Da wir ja die letzten Tage genug unterwegs waren, ist heute ein wenig Entspannung angesagt. Wir versuchen, ein bißchen länger zu schlafen, was allerdings nicht so richtig möglich ist. Als ich im Februar da war, ist alle halbe Stunde die Heizung angesprungen und hat Krach gemacht, jetzt im Sommer ist es die Klimaanlage, die ab und an ordentlich vor sich hinrauscht. Zum Glück geschieht das nicht nachts, sondern geht erst ab morgens los.

Mein Vater zeigt den Kindern, wie man "Mensch, ärgere Dich nicht" spielt. Das ist hier völlig unbekannt.

Heute ist Labour Day, ein Feiertag, und der wird natürlich genutzt, um die ganze Familie zu treffen. Wir fahren also so gegen 11:30 Uhr los zu Amys Eltern nach Illinois. Die Fahrt dauert ungefähr eine Stunde. Ich sitze wieder als Pufferzone zwischen Nick und Bella und es klappt ganz gut. Nick hört Musik und Bella spielt mit dem Lego, das meine Eltern als Geschenk mitgebracht haben.

Daniel kuckt mich die ganze Zeit an. Wenn ich dann zurückkucke, dann schaut er aber weg. Wenn ich dann wieder woanders hinsehe, geht das ganze von vorne los. Er ist auch ganz fasziniert davon, wenn man Sachen im Gesicht macht, also zum Beispiel Augenbrauen anheben oder Mund aufmachen.

Die Eltern hatte ich ja schon im Februar kennen gelernt und sie waren ja wirklich sehr nett. Das sind sie auch immer noch, denn wir werden gleich ganz gastfreundschaftlich begrüßt. Da es sich um ein großes Familientreffen handelt, sind natürlich auch wieder die beiden Brüder von Amy, Matt und Mike, da. Matt hat seine Freundin Jerri und den nervigen Hund namens Junior mitgebracht. Ich frage ihn gleich mal, ob sie ihn umbenennen, wenn er älter wird, also in Senior. Aber das wird er wohl nicht. So hektisch wie der ist, stirbt er sowieso früh. Wir treffen auch endlich Casey, die ist nämlich bei Amys Eltern, solange wir da sind. Sie hat nochmal ganz schön abgenommen und sieht jetzt richtig dünn aus.

Die beiden Großmütter mit dem Enkel.

Amys Stiefvater George ist schon wild am Grillen. Es liegen dicke amerikanische Bratwürste auf dem Grill und er ist gerade dabei, fette Burger mit Käse zu belegen. Na das kann ja was werden. Auf jeden Fall werden erstmal Getränke verteilt und meine Eltern, die irgendwie einen auf Extrem-Europäer machen, hätten gerne ein Wasser. Sowas trinkt hier natürlich kein Mensch, also gibt es ein Glas mit viel Eis und Leitungswasser.

Matt mit Junior. Da muß man echt aufpassen, daß man nicht in die Zehen oder die Waden gebissen wird.

Für meine Eltern gibt es vor dem Essen nun erstmal die kleine Tour durch den Garten.

Im Gegensatz zum Februar ist diesmal das Boot im Wasser. Ist ja auch klar bei so einem Wetter.

Beim Essen darf dann zugeschlagen werden. Meine Mutter ißt zum ersten Mal in ihrem Leben einen Burger und mein Vater haut sich erstmal eine von den dicken Bratwürsten rein. Der hat aber auch keine Hemmungen. Da ich ja nicht so auf Käse stehe, habe ich Glück. Amys Vater ist nämlich der Käse ausgegangen und so gibt es genau einen Fleischbatzen ohne welchen drauf. Den schnapp ich mir natürlich. Amys Eltern sind ständig darum besorgt, ob es uns auch schmeckt und ob wir noch irgendwelche Wünsche haben. Aber alles ist "gut". Das ist nämlich eins der wenigen Wörter, was meine Eltern einfach deutsch aussprechen müssen und die Amerikaner verstehen es.

Nach dem Essen fahren wir eine Runde mit dem Boot. Es ist eigentlich kein richtiges Boot, sondern eine Art Ponton mit einem Motor dran. Der See ist künstlich und ziemlich groß, er hat eine Uferlänge von 40 Kilometern. Alle fünf Jahre wird das Wasser ein wenig abgelassen, damit die Anwohner die Uferbefestigung erneuern können. Dieses Jahr ist es mal wieder so weit, ab 20. September geht es los.

Amys Vater hat den Ehrgeiz so zu fahren, daß wir ein wenig Wasser abbekommen. Und da er ein sehr routinierter Bootfahrer ist, schafft er das auch noch.

Auf dem See ist ganz schön was los. Es gibt Leute wie uns, die mit dem Ponton rumfahren, Jetskifahrer und Leute, die sich von sehr schnellen Booten auf aufblasbarem Wasserspielzeug rumziehen lassen.

Am Ufer stehen mal mehr oder weniger teure Häuser, je nach Lage. Wenn man hier wohnen möchte, muß man einen jährlichen Mitgliedsbeitrag bezahlen, kann dann aber auch diverse Annehmlichkeiten genießen. Es gibt zum Beispiel ein Clubhaus mit Strand oder eine Strandbar.

Eine Strandbar, da kann man einfach mit seinem Ponton ranfahren.

Zurück bei den Eltern sitzen wir dann gemütlich im Garten und plaudern oder spielen ein Spiel, wo man Metallscheiben in einen Holzkasten werfen muß. Gar nicht so einfach. Zur großen Überraschung kommen auch noch Amys Großeltern. Die sind so circa 80 Jahre alt und richtig gut im Bowling. Die Großmutter war wohl mal amerikanische Meisterin und macht immer noch 200 Pins. Das schaff ich ja nicht mal.

Junior fängt wieder an Casey zu ärgern, aber diesmal läßt sie sich das nicht gefallen und jagt ihn quer durch den Garten. Die ganze Familie feuert Casey an, weil keiner Junior leiden kann. Der hopst ganz schön rum und ist ziemlich flink, aber Casey gibt nicht auf und holt ihn tatsächlich ein. Damit hat der wohl nicht gerechnet, denn er legt sich gleich in einer unterwerfenden Geste auf den Boden und ist die nächsten Minuten ganz leise.

Mein Vater ist ja immer so ein Familienfotograf und so macht er den Vorschlag, daß man ja mal alle fotografieren könnte. Hier also nun meine neu dazu gewonnene amerikanische Verwandschaft.

Also, von links nach rechts: Amys Bruder Mike, Amys Vater George, Amys Bruder Matt, Amys Mutter Debbie, Bella, mein Bruder, Nick, meine Mutter, Amy, Daniel, Amys Oma, Amys Opa, mein Vater, Matts Freundin Jerri und icke. Weiß gar nicht, warum ich so komisch kucke.

Nach dem Familienfoto werden noch diverse andere Fotos gemacht: Daniel mit den beiden Großelternpaaren, Daniel mit den Urgroßeltern, Daniel mit den beiden Großelternpaaren plus den Eltern, Daniel nur mit Amy, Daniel mit Amy und Jörg. Irgendwann habe ich das Gefühl, wir haben schon alle Kombinationen durch.

Wir sitzen noch ein bißchen rum und irgendwann wechselt das Gespräch auf die Situation in New Orleans. Ich bin doch ein bißchen überrascht, als Amys Eltern meinen, daß sie sehr enttäuscht und ärgerlich auf die Regierung sind, weil die es nicht hinbekommt, die Menschen zu retten. Und das, wo am Haus mehrere amerikanische Fahnen angebracht sind und beide patriotische T-Shirts tragen.

Sind schon ziemlich patriotische Eltern. Da hat mein Vater erstmal gekuckt.

Da mein Bruder heute wieder arbeiten muß, fahren wir nicht ganz so spät nach Hause. Bei der Verabschiedung meinen die Eltern von Amy zu meinen Eltern, daß sie zwei sehr nette Söhne haben. Auch meint der Vater zu mir, daß ich jederzeit wiederkommen kann. Na also. Auf der Fahrt zeige ich Bella die Fotos, die ich gemacht habe und sie sagt immer, wer zu sehen ist. Ihre Großeltern heißen natürlich Grandpa und Grandma. Wenn meine Eltern hingegen zu sehen sind, bezeichnet sie sie mit den deutschen Wörtern Oma und Opa.

Da ich und mein Vater noch Hunger haben, schnappen wir uns ein Auto und fahren mal zu Arby's. Ich muß ja wenigstens einmal in diesem Urlaub da hinkommen. Meine Mutter kommt auch mit, aber ich glaube, sie ist ein bißchen schockiert von der nicht vorhandenen Eßkultur. Aber mir ist das eigentlich egal, Hauptsache es schmeckt und ich werde satt. Man muß ja auch nicht aus jedem Essen eine Wissenschaft machen. Mein Vater ist da ein bißchen anders, er probiert einfach mal was und akzeptiert, daß wir hier in einer anderen Kultur sind.

Den Abend schließe ich damit ab, daß ich noch einen Bericht schreibe und dann nicht allzu spät ins Bett gehe.
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