Eisenbahnfreaks unter sich
Tag 9 - 09.09.2005
Mein Bruder darf heute wieder ein bißchen länger schlafen und meine Mutter möchte auch mal ein wenig Ruhe haben. Also schnappe ich mir mit meinem eisenbahnbesessenen Vater den Suburban und wir fahren zum Museum of Transportation, also dem Transportmuseum. Dieses liegt ein wenig außerhalb von St. Louis in Kirkwood und man braucht von Jörg und Amy aus ungefähr 30 Minuten. Der Name Transportmuseum ist eigentlich ganz schön übertrieben, denn es gibt zu 99 Prozent Ausstellungsstücke, die etwas mit der Eisenbahn zu tun haben. Diese allerdings haben es in sich.
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Als Anfang hier der weltgrößte Eisenbahntankwagen der Welt. Voll wiegt er 220 Tonnen. |
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Weiter geht es mit der größten jemals gebauten diesel-elektrischen Lok, einer Union Pacific Centennial. Sie wiegt 270 Tonnen und hat eine Leistung von 6600 PS. |
Leider kann man die meisten Ausstellungsstücke nur von außen bewundern. Man merkt auch, daß der Unterhalt eine Lebensaufgabe ist, denn ein Großteil der Loks und Wagen könnte mal wieder ein wenig frische Farbe gebrauchen. Viele allerdings auch ein bißchen mehr.
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Am Museum geht gleich eine Eisenbahnstrecke entlang und so gibt es eine kleine Aussichtsplattform, auf die man sich setzen und nach Zügen Ausschau halten kann. |
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Manche Exponate wurden wahrscheinlich knapp vor der Schrottpresse gerettet. |
Das absolute Highlight der Sammlung ist aber eine Union Pacific Big Boy. Dabei handelt es sich um die größte, im Dienst erfolgreiche, Dampflok der Welt. Von den 25 gebauten Exemplaren existieren noch genau acht Stück.
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Hier das Prachtexemplar in voller Größe: 40,47 Meter lang und eine Gesamtmasse mit Tender von 540 Tonnen. Man beachte auch die schon erstaunliche Anzahl Achsen des Tenders. |
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Als Größenvergleich mal mit meinem Vater. |
Die Big Boy ist eine von zwei Loks, wo man mal in den Führerstand hineingehen kann. Dieser alleine ist schon riesig. Während ich mich angesichts der Tatsache, daß die Lok mit Kohle und nicht mit Öl beheizt wurde, frage, ob der Heizer die circa 5 Meter zwischen Tenderanfang und Kohleneinwurf dauernd hin- und hergegangen ist, zeigt mir mein Vater ein Wunderwerk der Technik: Die Kohle wurde mit einer Art Schnecke in den Kessel befördert, so daß der Heizer gar nicht so viel arbeiten mußte.
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Der absolute Traum meines Vaters: Einmal an den Reglern einer Big Boy. |
Das nebenan noch die größte Schneeschleuder der Welt steht, fällt einem gar nicht mehr so auf. Wir beenden den Besuch im Museum mit einem kleinen Bummel durch den Souvenirshop, wo sich mein Vater eine Konstruktionszeichnung der Big Boy kauft und ich mir ein Trinkgefäß.
Nach soviel Eisenbahn brauchen wir eine kleine Stärkung und fahren schnell bei Arby's vorbei, das liegt nämlich auf dem Weg zurück nach Hause. Da wir ja morgen in Richtung Colorado aufbrechen möchten, wird dann am Nachmittag gepackt und der Suburban mit Wäsche und frischem Benzin auf Vordermann gebracht. Dabei wollen wir auch noch den Reifendruck überprüfen, aber irgendwie ist das in den USA ein bißchen anders als in Europa. Es gibt nämlich nur einen Schlauch mit Luft, aber kein dazugehörendes Manometer, welches den Druck anzeigt. Da wir den aber auch nicht schätzen wollen, fahren wir unverrichteter Dinge wieder zurück. Zurück in der Garage krame ich ein wenig in dem großen Werkzeugschrank und finde neben einer Reifenpumpe mit Zigarettenanzünderanschluß auch einen Zollstock, der seinen Name noch verdient hat.
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Das kommt davon, wenn man das metrische System ablehnt, ein Zollstock mit Inch- und Fuß/Inch-Angabe. |
Eigentlich hatte mein Bruder vor, schon heute nach Colorado aufzubrechen. Aber Amy hat Karten für ein Baseballspiel der St. Louis Cardinals organisiert. Die Mannschaft hat hier eine riesige Fangemeinde und obwohl sie fast jeden Tag spielen, waren die letzten Spiele fast alle ausverkauft. Da wir nur 5 Karten haben, kommen Nick und Bella zu Onkel Matt.
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Wie der Zufall so spielt wohnt Matt in der Lindeman(n) Avenue. Laut Amys Aussage hat das zweite "N" einfach nicht mehr auf das Schild gepaßt. |
Vor dem Busch-Stadium (benannt nach dem einen Teil der Anheuser-Busch-Brauerei) ist schon die Hölle los. Überall rennen Menschen mit roten T-Shirts, der Farbe der Cardinals, umher.
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Das Busch-Stadium wird demnächst abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Der erste Teil davon steht schon. |
Heute spielen die Cardinals gegen die New York Mets. Eigentlich sollte das kein Problem sein, denn St. Louis ist in der Central Division Tabellenführer. Allerdings stelle ich schnell fest, daß sich die Leute um der Ergebnis gar nicht so einen großen Kopf machen. Das Spiel an sich ist für die Leute zwar schon wichtig, aber es gibt auch viel drumherum. Man kann, typisch amerikanisch, Unmengen an verschiedenen Speisen und Getränken zu sich nehmen und in den Spielpausen werden T-Shirts und diverser anderer Plunder mit Luftdruckkanonen ins Publikum geschossen.
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Das Spielfeld. Mit Mond. |
Nach circa einer halben Stunde Spielzeit hab ich dann auch die Regeln soweit verstanden, daß es spannend wird. Wichtig zu wissen ist zum Beispiel, daß wenn der geschlagene Ball von einem Fänger direkt aufgefangen wird, der Schläger gleich raus ist. Alles klar? Muß man wahrscheinlich mal live sehen. Aber immerhin ist das Spiel recht spannend. St. Louis geht zwar mit einem Punkt im ersten Inning in Führung, muß dann aber im sechsten Inning zwei Punkte an die Mets abgeben. Im siebten und achten Inning dreht sich das ganze dann wieder in Richtung Cardinals, die letztlich auch das Spiel mit 3 zu 2 Punkten gewinnen. Einen Homerun, wo der Ball so weit geschlagen wird, daß er außerhalb des Spielfeldes aufkommt, gibt es dabei auch noch, natürlich für die Cardinals, was in einen ziemlichen Jubel seitens des Publikums ausartet.
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Die St. Louis Cardinals gewinnen gegen die New York Mets. Rechts oben sieht man die Angabe "94 MPH". Das ist die Geschwindigkeit, mit der der letzte Ball geworfen wurde. Umgerechnet sind das ziemlich erstaunliche 150 Kilometer pro Stunde. |
Interessant sind auch die Momente, wo unvermittelt die ganzen Amerikaner um uns herum aufstehen und wir gar nicht wissen, was nun kommt. Zum Glück haben wir für solche Fälle Amy. In der Mitte des siebten Inning zum Beispiel gibt es eine Stretch-Pause, wo das Publikum aufsteht und sich mal richtig strecken und recken kann um die lahmen Knochen wieder in Schwung zu bringen.
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Die Menschenmassen strömen zurück in die Parkhäuser, denn mit der Metrolink, einer Art kombinierter S- und Straßenbahn, fahren hier nicht wirklich viele. |
Der Weg nach Hause besteht erstmal aus einem ziemlich langen Warten im Parkhaus, denn wenn 45000 Menschen weg wollen, dauert das ein wenig. Irgendwann haben wir es dann aber doch geschafft und so holen wir die total übermüdeten Kinder von Matt ab, fahren nach Hause und hauen uns in die Falle.